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Moneten:
die messbare Seite
der Welt

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Ein rätselhafter alter Bekannter

Wahrheiten sind Illusionen von denen
man vergessen hat, dass sie welche sind

(Friedrich Nietzsche)

Ein gängiges Zahlungsmittel, der Lohn für tägliche Arbeit, ein Schlüssel zur Macht, das, worum sich alles dreht, ein uraltes Tauschmittel, Moneten, Zaster, Knete, Cash – oder schlicht Geld. Manchmal fühlt es sich an, als gehe nichts in dieser Welt, ohne dieses allumfassende Schmiermittel. Geld macht alles mess- und bewertbar und beherrscht die Welt.

Doch wie entsteht Geld eigentlich? Um diese Frage zu beantworten, blicken wir am besten auf die historischen Spuren, die das Geld hinterlassen hat. Die ältesten, noch erhaltenen schriftlichen Zahlungsverpflichtungen sind mindestens 4000 Jahre alt und stammen aus Mesopotamien. Händler, die lange Reisen nach Anatolien unternahmen, mussten damals ihre kostspieligen Karawanen finanzieren. Dies führte dazu, dass Schuldscheine erstellt wurden, die sich später zu einer Handelsware entwickelten: Das Prinzip des Kreditgeldes war geboren, das auch heute noch hinter der Geldschöpfung steht. In dem Moment, in dem ein Darlehen vergeben wird, entsteht Geld, einfach so, aus dem Nichts. Es ist ein verbrieftes Vertrauen, eine messbare Kommunikation und ein Versprechen für die Zukunft. Es gilt: ohne Kredit kein Geld!

Und doch ist unklar, was dieser magische Stoff tatsächlich ist. Das Medium, mit dem er transportiert wird, hilft uns da jedenfalls nicht weiter. Sobald eine Gesellschaft etwas als Zahlungsmittel akzeptiert, ist es Geld. Historisch waren schon Münzen, Scheine, Kühe, Muscheln, Tabak, Gold, Silber, Steine und Kerbhölzer Zahlungsmittel, heute sind es Girokonten und seit Neuestem digital gespeicherte Daten. Und auch der Trend zum digitalen Geld wird sich weiter verstärken. Daten sind nicht das neue Öl, sondern das neue Geld.

Ein Produkt des Glaubens

Geld ist eine nützliche Täuschung ohne materiellen Wert. Es ist die perfekte Illusion, eine Wertzuschreibung an Dinge, die diesen Wert von Natur aus nicht besitzen. Der grosse Trick der Geld definierenden Organisationen ist es, dieses quasi religiöse Phänomen so zu institutionalisieren, dass die fantastische Geschichte des Geldes so oft erzählt wird, dass sie niemand mehr anzweifelt. Unser Bargeld wird beispielsweise durch die Unterschrift eines Notenbankpräsidenten auf einem Stück Papier zu einer Wertanlage – an sich eigentlich kein besonders starker Wertindikator. Und doch ist es bis heute der stärkste Hinweis für die Wertsicherheit von Geld, weil sich ein ganzer Staat dafür verbürgt. Natürlich ändern sich diese Machtzuschreibungen im Laufe der Zeit immer wieder und so gebiert Geld regelmässig epische Schlachten der Wahrheitsinterpretation. Denn es besitzt auf radikale Weise nur so lange Gültigkeit, wie alle daran glauben, und ist deshalb auch immer eine Frage der Macht.

Dieser wankelmütige Charakter des Geldes lässt sich in der Geschichte an unzähligen Inflations- und Deflationsbeispielen illustrieren. Seien es die weltweit ersten Banknoten der Ming-Dynastie im China des 14. Jahrhunderts, die zuerst ein grosser Erfolg waren und anschliessend in einem Crash komplett wertlos wurden (in der Folge wurden Banknoten im Reich der Mitte über Jahrhunderte nicht mehr verwendet). Sei es die wirkungsvolle Aktion von Künstlern aus Simbabwe, die nach einer immensen Inflation ihrer Währung lokales Geld bedruckten mit «Es ist günstiger, diesen Text auf Geld zu drucken als auf Papier» («it’s cheaper to print this on money than on paper»). Oder sei es die Geschichte des US-Dollars als westliche Ankerwährung nach dem Zweiten Weltkrieg, der zuerst an die Goldreserven der USA gebunden war (Bretton-Woods-System). Dadurch war der US-Dollar zwar an einen realen Wert gekettet, jedoch auch sehr unflexibel. Und so hob man dieses System kurzerhand auf, als der Geldbedarf stieg. Seitdem gibt die Zentralbank der USA nach eigenem Gutdünken US-Dollars aus, ganz ohne materielle Absicherung.

Alle diese Beispiele zeigen, dass es sich beim Geld um ein Produkt des Glaubens handelt, dessen Gültigkeit von den Überzeugungsstrategien der verantwortlichen Institutionen abhängt.

Eine schizophrene Kraft

Nichts wirkt so widersprüchlich und gleichzeitig so umfassend wie Geld: Es schafft eine Verbindlichkeit, die grosse Ideen Realität werden lässt, und verhindert gleichzeitig den Fortschritt zum Guten, denn seine Kraft wirkt auch in den falschen Händen. Es ist alles und zugleich nichts, weil nur unser Glauben an das Geld seine Struktur erhält. Geld erzeugt Vertrauen und Fortschritt, es manipuliert aber auch und zementiert morsche Strukturen.

«Mach es mit Geld fest, dann gilt es!» Jede monetäre Transaktion ist auch ein Versprechen, für das sich eine gesamte Gesellschaft verbürgt. Und fast jeder ist bereit, sich daran zu halten. Es bindet uns strukturell aneinander und spaltet uns zugleich in diejenigen, die Geld haben, und die anderen.

Geld ist die Bedingung dafür, dass viele Wünsche, Träume und Fantasien wahr werden. Es holt das Später ins Hier und Jetzt, verbindet Vergangenheit und Zukunft sowie Realität und Fantasie. Seine Kraft verhilft ambitionierten Ideen zum Durchbruch und stellt die Brücke zwischen der messbaren Seite der Welt mit ihren Zahlen und Nummern zur nicht messbaren Seite der Ideen, Visionen und Gelegenheiten dar. Buchhalter und Träumer waren schon immer das Dreamteam auf dem steinigen Weg zur Verwirklichung einer Vision.

Doch Geld lässt nicht nur den Traum vom Besseren wahr werden. Es hält auch schädliche Machtverhältnisse am Leben und blockiert damit den Weg in eine bessere Zukunft. Es hält Milliarden von Menschen davon ab, von den Vorteilen der Moderne zu profitieren, erzeugt Neid und Missgunst und treibt die Zerstörung unserer Biosphäre durch gefährliche Anreize und die Zementierung parasitärer Strukturen voran. Das ist die Paradoxie des Geldes: Es ist ein Werkzeug der Hoffnung und zugleich willfähriger Helfer des Bösen.

Die Widersprüchlichkeit des Geldes entsteht aus seiner radikalen Wertneutralität. Es ist nicht gut oder schlecht, es bemisst sich ausschliesslich durch seine Quantität. Doch in einer Welt der Polarität und der zwei Seiten muss es auch einen Konterpart zur reinen Quantität geben. Doch welches ist dieses entgegengesetzte Konstrukt, das alles unter die Macht der Qualität zwingt? Welches Prinzip steht dem Geld gegenüber und ist doch untrennbar mit ihm verbunden? Diese Fragen führen uns in die Welt eines weiteren alten, rätselhaften Bekannten: der Zeit. Nur wenn man die Polarität von Geld und Zeit versteht, lassen sich die Geheimnisse des Geldes enträtseln.

Moneten

Eine Brücke zwischen Kapitalismus und Utopie

Moneten

Zeit ist Zeit und Geld ist Geld

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