Monster:
Nichtmessbares zum
Leben erwecken
06
Der Mensch, das Entscheidungen
treffende Wesen
Unsere Gesellschaft hat zahlreiche Schattierungen. Kombiniert man die Perspektiven aller Menschen und deren gegenseitige Beeinflussung, kommt man zu einer nicht fassbaren Anzahl möglicher «Zukünfte» – sowohl für Individuen als auch für die Gesellschaft. Unsere Gegenwart ist das Ergebnis eines unermesslichen Geflechts an Entscheidungen in der Vergangenheit, die uns in eine bestimmte Richtung manövrierten. Welchen Weg unsere Gesellschaft künftig einschlägt, ist komplett offen. Wir müssen uns heute damit befassen, welches die richtigen Entscheidungen und wünschenswerten Zukunftsszenarien sind – die Antworten werden sehr verschieden ausfallen, je nach den Interessen des Befragten. Doch ist dieser ewige Wettstreit der Interessen tatsächlich die richtige Methode, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen? Wie ließe sich die Entscheidungsfindung in der Gesellschaft und in Organisationen so verändern, dass sie den Weg in eine lebenswerte Zukunft ebnet?
Über Analysen versuchen wir die Wirklichkeit in Zahlen abzubilden. Jedes Detail unserer Realität und unseres Zusammenlebens vermessen und bewerten wir in Studien und glauben so der Komplexität unseres Lebens auf die Spur zu kommen. Die Suche nach Wissen und Wahrheit hat natürlich ihre Berechtigung: Wissenschaft und Technologie gewähren uns einen effektiveren Einblick in die Wirkungsweisen unserer Welt, als dies jemals zuvor der Fall war. Doch obwohl wir wissen, wo der Steuerknüppel unseres Raumschiffs sich befindet, und wir in der Lage sind, die Bedienungsanleitung zu lesen, fällen wir doch regelmässig kollektiv die falschen Entscheidungen.
Wir haben ja bereits gesehen, dass die Unternehmen und Organisationen der Zukunft sowohl komplizierte als auch komplexe Herausforderungen lösen müssen, und wir haben gesehen, dass wir dabei zwei Seiten des Menschen und zwei Gestalten der Zeit berücksichtigen müssen. Deshalb sollten wir auch unsere Methoden, Entscheidungen zu treffen, hinterfragen und auch hier nach einer Polarität der Dinge suchen. Der Psychologe Gerd Gigerenzer hat nachgewiesen, dass wir gut beraten sind, wenn wir komplexe und komplizierte Herausforderungen unterschiedlich angehen. Gigerenzer verweist auf die Wichtigkeit von Datenanalyse in komplizierten Fällen, aber auch darauf, dass wir bei komplexen Situationen auf unseren Instinkt und unser Bauchgefühl hören sollen.
Wir benötigen in Organisationen neue Anreize, Räume und Prozesse, die die kreative, linguistische Entscheidungsfindung fördern, sowie ein neues Verständnis von Zeit. Das wird künftig allein schon deshalb nötig sein, weil wiederkehrende, rationale Aufgaben in einer digitalen Superinfrastruktur grossteils automatisiert erledigt werden. Wir sollten deshalb nicht mehr nur die Uhrzeit, sondern auch die Lebensenergie als werthaltige Arbeit verstehen. Nur so werden wir Lösungen für unmittelbare Herausforderungen finden, die im jetzigen System undenkbar sind. Schliesslich ist es absehbar, dass wir bei Themen wie dem Wohlstandsgefälle, der Altersvorsorge oder dem Gesundheitssystem früher oder später auf den bekannten Pfaden scheitern werden, weil das Wachstum an die Grenzen unserer Biosphäre stoßen wird.
Doch wie können wir Räume des Experimentierens schaffen und einen neuen Umgang mit Zeit und Fehlern Realität werden lassen? Wie können wir ähnlich der Natur frei und ohne Erfolgszwang experimentieren? Gibt es eine Möglichkeit, der nicht messbaren Seite der Welt mehr Geltung zu verschaffen? Können wir die Macht von Geld, Zins und Wertschöpfung neu justieren? Wo werden die Werte der Zukunft geschaffen? Werden künftig vielleicht Zeiten der Faulheit und Schrumpfung mit ähnlichen Anreizen gefördert wie heute Erfolg und Wachstum? Und wie können wir die scheinbar festgefahrenen Prozesse in Organisationen neu ausrichten und entwickeln?
Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir einen Blick auf eine ihrem Potenzial nach revolutionäre Technologie werfen: die Blockchain. Sie kann der «Game Changer» werden, eine Technologie, die das System auf den Kopf stellt und die Schöpfung des mächtigen Geldes dezentralisiert. Dafür darf die Blockchain aber nicht zum digitalen Abbild des bestehenden Wachstumsgeldes werden. Nein, sie muss neue Anreize schaffen, die nachhaltiger, gerechter, lokaler, antifragiler wirken.
Es gibt nur perspektivisches Sehen
(Friedrich Nietzsche)